Kunterbunt labern zu jeder Stund

Man möge mit verzeihen, dass ich wieder dieses Thema bediene. Wenn ich jedoch über den Altstadtplatz gehe, wo gerade diese Weihnachtsmarktbuden aufgebaut werden, und mir von gickelnden Gymnasiastinnen ins Ohr gellt : „Da iss ja voll geil !“ oder „Guck ma, voll romandisch.“ und „voll die Party… da gen mer voll Glühwein abschütten“, dann denk ich mir : „ Wie hört sich das erst an, wenn Glühwein im Spiele ist ?“

Labernde sollten ihre Blödheit an etwas anderem auslassen, als an der deutschen Sprache.

(frei nach A.Schopenhauer)

Alltags-Komprimierung unserer Muttersprache ist keine moderne spezielle Jugendsprache, sondern bloße Verarmung, Demontage, Zerstörung und Herunterleveln auf schlichtestes Niveau. Die Behauptung, solche modernen Unsäglichkeiten würden unsere Sprache bunt, lebhafter und moderner – im Sinne von besser und heutigem Wissenstand angepasster – machen, entbehrt jeglicher sprachlichen und geistigen Sinngebung. Denn es handelt sich meistens um Denk- oder Mundfaulheit in Verbindung mit Absenz von Bildung bzw. Erziehung.

Die, von Migranten und Eingewanderten bruchstückhaft erlernte und fehlverstandene, Sprachintegration wurde unterstützt durch diese absolut blödsinnige Eigenart deutscher Erwachsenen, mit Ausländern in der Babysprache oder in gramatikalisch schlichtem Deutsch zu sprechen. Dieses verhindert natürlich jedes richtige Erlernen unserer variantenreichen Muttersprache. Zusätzlich entstand auf der Strasse in der Umgangssprache (sogenanntes KANAK), vor allem im Alltag sozial benachteiligter Viertel der Großstädte,  ein Gemisch aus Anglizismen, Bildungsresistenz, Sprachunvermögen und Bruchstücken von Slum-Slang, Jenisch-Manisch und anderen Migrantensprachen.

Dabei sind auch neue Wortschöpfungen oder speziell jugendbezogene Begrifflichkeiten entstanden, die man eventuell (mit gutem Willen oder geistigem Getränk) als moderne Jugendsprache bzw. Alltags-Sprachmix verstehen könnte. Die Zöglinge unseres Bildungs-Bürgertums, welche solche Verbalinjurien oft als komisch empfinden und gestammelte Satztorsi für witzig erachten, tragen in ihrer oft dümmlichen Arroganz nicht wenig dazu bei, aus dem grammatikalischen Babylon ein solch vermeintliches New-Age rhetorischer Ignoranz zu machen. Da Menschen – und hierbei insbesondere urbane Lemmikaken – Herdentiere sind, verbreitet sich solcher Stuss & Proll natürlich genau so schnell, wie die grenzwertigen Werbesprüche hirnfernen Konsumterrors.

Denn es tauchen heutzutage vermehrt dümmliche Formulierungen auf, die entweder geistiger Absenz radebrechender Sprachassis oder bekifften Hirnen betörnter Werbe-Fuzzys geschuldet sind. Und das ist weder bunt, noch interessant, noch variantenreich oder gar künstlerisch bzw. kulturell wertvoll. Man fragt sich daher als ein denkender Deutschsprachiger, wie tief muss dieses Niveau noch sinken, damit auch wirklich die blödeste Stammel-Amöbe mit jedem (Dünnpfiff gewohnten) Laber-Bandwurm in echt kommunizieren kann. Man nehme nur das folgende Beispiel = „voll geil !“ Im normalen Sprachsinn und Bedeutung :

voll = befüllt, kein Platz mehr, Raum zur Gänze befüllt, vollzogene Raumbelegung, es ist alles drin, was rein ging  etc…

Eigentlich das Gegenteil von „leer“; hier jedoch der Beweis rhetorischer Hirnleere.

geil = sexuelle Erregung bzw. deren auslösendes Moment, in hormoneller Disharmonie befindlich, spitz, wolllüstig, brünftig usw….

voll geil“ wäre dann, wenn überhaupt : Überlaufende sexuelle Emotion im Hirn, also : „Wenn der Pint steht, oder die Möse tropft, ist der Verstand im Arsch !“ Oder so ähnlich ? –

Es fällt jedem mitdenkenden, rhetorisch bewanderten Menschen dabei schwer, daraus irgendeinen Sinn oder vernünftige Bedeutung zu zimmern, welche den eigentlichen und  ursprünglichen Wortsinn auch nur in die Nähe dieses absolut bescheuerten Trend- und Modebegriffes rückt. Und vonwegen „bunt“?

Anstatt : „voll geil !“  kann man im Deutschen folgende Synonyme mit Bedeutung „sehr gut nehmen :

großartig – überwältigend, beachtlich , phantastisch, fabelhaft , erstklassig, famos, exzellent, klassisch, phänomenal, genial, himmlisch, hervorragend

*  vorzüglichfein, blendend, exquisit , delikat,köstlich , glänzend , vorbildlich , glanzvoll, mächtig

*  bestmöglichBestens, rosig, größtmöglich, höchst, allerbeste, außergewöhnlich, supertoll  

* angenehm, ideal, meisterhaft , ausgezeichnet , grandios , optimal, eins-a (1 a) , on top,

 

Anstatt „ voll“  =  wie nun gerade bei kichernden und Schmatzfone bestreichelnden Schülerinnen vernommen: Das ist ja „voll komisch“ sind in korrektem Deutsch doch Zusammensetzungen bzw. Synonyme mit „sehrangesagt :

*  sehr groß , sehr glücklich , sehr gern haben , sehr gern kaufen, sehr genau , sehr frisch , sehr fidel , sehr fein , sehr hart , sehr heiß , sehr hell , sehr herb , sehr hungrig , sehr intensiv, sehr kalt, sehr klein , sehr komisch , sehr kräftig  uvm…

Dass heute selbst Hochschulfrequentierende und Studierende stets das blöde „voll“ in ihren Smalltalg einsetzten, bestätigt so nur die offensichtliche Massenblödheit und das klassenlose Dumpfbackentum. Beides ist weder bunt, noch innovativ, sondern schlicht rhetorisch grau und rabenschwarzes Sprachvacuum.

Insofern ist es obsolet, mir erzählen zu wollen – ich sei, mit meiner Sprachaffinität zu unserer Muttersprache, antiquiert und nicht auf modernem Level. Der denkfähige Homo sapiens ist eigentlich eher bemüht, sich Positivem und Bestmöglichem anzunähern, bzw. eine Premiumversion zu erstreben. Die verplante und vertane Bildungspolitik hierzulande neigt offensichtlich mehr dazu, sich doch vielfach Negativem und Schlichtem zu ergeben ? Daher entblödete man sich nicht, gleich mehrfach hirnfernste Rechtschreibe-Reformen zu starten und Richtlinien zu oktruieren, welche an Bildungsresistenz nun kaum noch zu überbieten sind. Ich sage da nur : „Schreiben, wie hören !“

Nach hinlänglich bekanntem, modernen Usus in diesem unseren Lande : „Alles was nicht passt, wird halt  passend gemacht.“ werden also alle Grenzwerte und jegliches Niveau auf den einfachst möglichen Level herabgesetzt. „downgrade“ ist jedoch nicht  „download“ ! Es wundert somit also nicht, wenn Personaler, Firmenchefs und Verantwortliche sich nur noch mit Grausen abwenden, wenn sie solche Ergebnisse unserer ministeriellen, dümmlichen Bildungsferne zu sehen oder gar zu hören bekommen. Von den diversen Unsäglichkeiten in Internet oder Medien ganz zu schweigen. Ich weise auch der  Lehrerschaft (m/w/div) eine erkleckliche Mitschuld zu.

Übertolerantes Duckmäuser– und Jasagertum, anschleimendes Radfahren und folgsames Schweigen sind wohl mittlerweile Aufnahmebedingung oder Basis für den Lehrberuf ? War das nicht mal anders ? Und wie möchte man mir denn bitteschön jene (gibt es da eigentlich auch Zuschauerquoten ?) Alleinunterhaltertätigkeit in Klassen verkaufen, wo kaum noch korrektes Deutsch (wenn überhaupt) zu hören oder gar zu lesen ist ? Und das nicht erst seit jener Rütli-Schule/Berlin. Auch die neueren Studien besagen doch, 50% unseres hoffnungsvollen Nachwuchses sind unserer deutschen Sprache in Wort und Schrift nicht mächtig bzw. eher ohnmächtig. Und solches im ehemaligen Lande der Dichter und Denker ? Ja, geht`s noch ? Ja, wo sam`mer denn ? In Laberland ?

p.s. Betrachtet man jenes „Voll geil“ und diese hier angeführte Auswahl an Synonymen und Begriffsvariationen, so dürfte doch unschwer zu erkennen sein, was „bunt“ oder Variantenreich ist ? Denkferne und Mundfaulheit sind weder cool, noch modern, noch als joungstylish anschleimender Gruftys akzeptabel. Da sind mir regionale und traditionell basierte Dialekte bzw. Mundarten noch lieber.

H.B. ex WORTBRUCH   copyright by River & Sea Maritim  2019


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